Schüler an der Universität
DER REKTOR DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
Prof. Dr. Tassilo
Küpper
Bericht über
das Projekt
"Schüler an der Universität"
(Stand: 21. 05. 01)
Im Juni 2000 beschlossen die Universität zu Köln und die
Hochbegabtenstiftung der Kreissparkasse Köln, eine neue Form der Begabtenförderung
für leistungsstarke Oberstufenschüler zu erproben. Dabei sollten
möglichst die folgenden Kriterien erfüllt werden:
Kriterien:
- über mehrere Jahre routinemäßiger Ablauf der
Förderung
- in der späteren (universitären) Ausbildung "verwertbarer"
Kenntniserwerb
- möglichst geringer Kostenaufwand (insbesondere wenig zusätzliche
Lehrbelastung der Dozenten)
- Ausschöpfung der Anlagen und Fähigkeiten der Schüler.
Zu (1):
Ad-hoc-Projekte, bei denen jeweils einzelne Dozenten für einen
- meist einmaligen - Durchlauf für eine bestimmte Gruppe (z. B. einwöchige
) Veranstaltungen anbieten, erfordern einen recht hohen Verwaltungsaufwand.
Insbesondere sind die Dozenten, zumindest wenn sie von der Universität
gestellt werden, weder bereit, das gleiche Themengebiet mehrfach anzubieten
(Abnutzungseffekt) noch jeweils neue Themengebiete aufzubereiten (zu hoher
Zeitaufwand). Demnach müssen immer neue Dozenten gewonnen werden;
detaillierte Informationen über die behandelten Themen erhalten die
Schüler recht spät.
Zu (2):
Viele leistungsstarke Schüler sind daran interessiert, Kenntnisse
zu erwerben, die sie während ihres Universitätsstudiums unmittelbar
verwerten können (sie möglichst befähigt, ihre Studienzeit
zu verkürzen).
Zu (3):
Aufgrund der hohen Auslastung der Kölner Universität durfte
das Projekt nur mit wenig zusätzlichem Aufwand für die Dozenten
verbunden sein, zumal bei regelmäßiger Durchführung .
Zu (4):
Viele Schüler sind in der Schule unterfordert; sie können
das jeweilige Klassenziel aufgrund ihrer Begabung mit relativ geringem
Arbeitsaufwand erreichen und erlernen dadurch keine dem späteren Studium
angemessene Arbeitshaltung ("Success is 1 % inspiration and 99 % transpiration",
Thomas A. Edison).
Ergebnis der Überlegungen war das Projekt "Schüler an der
Universität": in einer ersten Testphase (ca. 3 Jahre) sollen Schüler
der Oberstufen aus dem Kölner Raum Gelegenheit erhalten, an den regulären
Anfängervorlesungen in Mathematik, Physik, Chemie (WS 2000/2001) bzw.
Mathematik, Physik, Chemie und Informatik (SS 2001) und den dazugehörigen
Übungen teilzunehmen und die gleichen Leistungsnachweise zu erwerben
wie die ordentlichen Studierenden, sofern sie die gleichen Leistungen erbringen.
Fächerauswahl:
Die Fächerauswahl kam im wesentlichen dadurch zustanden, daß
in den angegebenen Fächern noch Kapazitäten für begabte
Schüler vorhanden sind (Biologie konnte - als NC-Fach - deshalb nicht
gewählt werden; dies hätte unübersehbare rechtliche Konsequenzen).
Außerdem bestand und besteht ein starkes öffentliches Interesse,
diese Fächer den Schülern wieder näher zu bringen; das gleiche
gilt für Ingenieurwissenschaften.
Schülerauswahl:
Im wesentlichen folgen wir den Empfehlungen der Schulen, d. h. wenn
der Fachlehrer (Klassenlehrer) und der Schulleiter den Bewerber empfehlen
(und vom Schulunterricht stundenweise beurlauben, s.u.), wird dem Schüler
die Teilnahme gestattet. (Bei minderjährigen Schülern ist selbstverständlich
die Einwilligung der Eltern erforderlich.) Eine Bewerbung mit Lebenslauf
unter Vorlage des letzten Zeugnisses wird erwartet.
Dozenteneinverständnis:
Die jeweiligen Dozenten der Anfängervorlesungen müssen
ihr Einverständnis geben, da die Schüler kein institutionalisiertes
Anrecht auf die Teilnahme an Universitätsveranstaltungen haben.
Hauptprobleme:
Die Veranstaltungen finden jeweils vormittags statt. Je nach Entfernung
der Schule von der Universität fallen demnach einzelne Stunden bis
komplette Vormittage als Unterrichtszeiten aus. Dies ist nur möglich,
wenn der Schulleiter die Schüler für den Besuch der Universität
beurlaubt. Die Universität betrachtet - auch aus Unfallversicherungsgründen
- die Teilnahme der Schüler als Schulveranstaltung, zu der die Universität
die Lehrkapazität bereitstellt. Die Erlaubnis zur Teilnahme kann jederzeit
sowohl von der Universität als auch von der Schule widerrufen werden.
Bezüglich des Unterrichtsausfalls gibt es an den Schulen durchaus
unterschiedliche Ansichten. Dies ist jedoch kein Problem, das die Universität
unmittelbar angeht. Die ablehnende Haltung mancher Schulen oder auch innerhalb
der Lehrerschaft mancher Schulen ist abgemildert, seitdem die obere Schulaufsichtsbehörde beim Regierungspräsidenten Köln eine positive Haltung zu diesem Projekt eingenommen hat. Im übrigen erzwingt der Unterrichtsausfall
auch, daß nur in allen Fächern gute Schüler an dem Projekt
teilnehmen können, da in der Regel nicht die gleichen Fächer
ausfallen, welche der Schüler an der Universität studiert.
Personelle Ausstattung des Projektes:
Außer der logistischen und finanziellen Unterstützung
durch die Hochbegabtenstiftung der Kreissparkasse Köln waren insbesondere
ein Mitarbeiter der Universität (Dr. Ulrich Halbritter, Mathematisches
Institut der Universität zu Köln, Weyertal 86-90, 50931 Köln,
Tel. 0221/470 43 44, e-mail: halbritter@mi.uni-koeln.de) und Oberstudienrat
Rolf Theil vom Rhein-Gymnasium in Köln (Rhein-Gymnasium, Düsseldorfer
Str.13, 51063 Köln, Tel. 6401667) mit der Koordination des Projektes
neben ihren sonstigen Dienstaufgaben befaßt. Während Herr Dr.
Halbritter im wesentlichen die inneruniversitären Belange im Auge
behielt, hielt Herr Theil Kontakt mit den Schulen und der oberen Schulaufsichtsbehörde.
Bei einer Einführungsveranstaltung für alle Schüler vor
Semesterbeginn und bei aktuellen Problemen standen beide den Schülern
zur Verfügung, ebenfalls als Ansprechpartner für die Dozenten
Verlauf des Projektes im WS 2000/2001 und SS 2001 (Stand 20.5.01):
Im Juli 2000 gab das Ministerium für Schule, Wissenschaft und
Forschung sein Einverständnis zu dem Projekt. Trotz einer sehr kurzfristigen
Benachrichtigung der Schulen nahmen anfangs 26 Schülerinnen und Schüler
an dem Projekt teil:
|
Mathematik |
Physik |
Chemie |
|
Lineare Algebra oder Analysis |
|
|
Teilnehmer
männlich |
|
|
|
Klasse 11 |
|
1 (0) |
2(2) |
Klasse 12 |
|
1(1) |
|
Klasse 13 |
9 (2) |
5(3) |
|
Teilnehmer
weiblich |
|
|
|
Klasse 11 |
1(1) |
|
|
Klasse 12 |
|
|
|
Klasse 13 |
5(3) |
1(1) |
1(0) |
Die Zahlen in Klammern geben die Anzahl der erworbenen
Leistungsnachweise wieder. 18 Teilnehmer erhielten ein Zertifikat der Universität
zu Köln, das ihnen die erfolgreiche Teilnahme an dem Projekt bestätigte.
Nicht zuletzt aufgrund der großen Entfernung (bis
zu 50 km) und der zeitintensiven Abiturvorbereitungen (die Mehrzahl der
Teilnehmer besuchte die 13. Klasse) war die Zahl der Teilnehmer nach Weihnachten
2000 auf 20 geschrumpft. Davon haben 13 Teilnehmer erfolgreich die Abschlußklausuren
mitgeschrieben. Die zweit- und drittbeste Physikklausur wurden von Schülern
geschrieben. 10 Schüler haben das Projekt im SS 2001 fortgesetzt,
davon haben drei noch zusätzlich als weitere Vorlesung Informatik
angefangen (da sie sich nach dem mündlichen Abitur im Mai voll auf
das Studium konzentrieren und auch in Informatik einen Leistungsnachweis
erwerben wollen). Mehrere Schüler haben das Projekt nicht fortgesetzt,
da sie z. B. ein ingenieurwissenschaftliches Studium beginnen wollen und
deshalb ein Praktikum machen müssen (darunter der zweitbeste Teilnehmer
der Physikklausur, der in Aachen Maschinenbau studieren möchte). Weitere
12 Schüler nehmen im SS 2001 erstmalig teil (Informatik, Chemie).
Ausblick:
Das Projekt scheint eine vielversprechende Alternative
zu anderen Begabtenförderungsprojekten zu sein. Es ermöglicht
leistungsstarken Schülern, ihr Potential voll auszuschöpfen:
sie werden gefordert und gefördert. Studienzeiten können verkürzt
werden (sofern - was nicht bei allen Teilnehmern der Fall war - ein entsprechendes
Fach nach dem Abitur studiert wird). Aufgrund der vielfachen Anrufe, welche
die o. g. Betreuer des Projektes - u. a. sogar von ratlosen Eltern von
Grundschulkindern - erhielten, kann geschlossen werden, daß ein großer
Bedarf an Förderungsmaßnahmen zu bestehen scheint. Eine Ausdehnung
des Projektes auf alle Universitäten von NRW wäre wünschenswert.
Dies würde auch die - bisher nicht angeschnittene - Problematik der
Anerkennung der von Schülern erworbenen Leistungsnachweise positiv
beeinflussen: während die betreffenden Prüfungsausschüsse
der Diplomstudiengänge der Kölner Universität die von Schülern
erworbenen Leistungsnachweise anerkennen werden, ist dies bei anderen Universitäten
ungewiss, da die Leistungsnachweise nicht in einem "ordentlichen" Studium
erworben wurden.
Kontakt:
Für weitere Auskünfte stehen Herr Dr. Halbritter, Herr Theil und Frau Dr. Valder-Knechtges von der Hochbegabtenstiftung
der Kreissparkasse Köln (Neumarkt 18-24, 50667 Köln, Tel. 0221/227
29 38) zur Verfügung.
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