Holger (Junge Liebe)
Ist “Holger (Junge Liebe)” frauenfeindlich?
Zur Beantwortung dieser kontrovers diskutierten Frage legen wir drei Expertisen bedeutender WissenschaftlerInnen und WissenschaftlerInnen vor. JederR bilde sich darüber seiN eigeneS Urteil.
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Bei dem Lied “Holger (Junge Liebe)” von der Rock-/Pop-Gruppe “G.” (der vollständige Name soll hier aus Respekt vor verfolgten und gedemütigten GeschlechtsgenossInnen nicht genannt werden) handelt es sich um ein im höchsten Maße frauenfeindliches und frauenverachtendes Machwerk, das wieder einmal beweist, dass die männliche Klasse ihre imperialistisch-sexistischen Ansprüche weiterhin aufrecht erhält und aus den mädchen- und frauenemanzipatorischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte leider so gut wie nichts gelernt hat (vgl. Becker-Hasenschroth 1999).
Von Anfang bis Ende ist das genannte Lied durchzogen von impliziten und expliziten Andeutungen der Überlegenheit der männlichen Klasse und der Geringschätzung und Verhöhnung des weiblichen Geschlechts. Besonders prägnant treten diese hervor in den Versen: “Heut' nacht mach' ich dich zur Mutter, aber nicht zum Eheweib”, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Frau wird hier nicht nur — wie fast immer in den feuchten Träumen männlicher Sexualfantasie — zum bloßen Objekt degradiert, sondern bekommt, indem sie zur Mutter gemacht wird, auch noch bewusst die alleinige Verantwortung für die Folgen des einseitigen sexuellen Erlebnisses zugeschoben; indem er ihr die Ehe (hier allegorisch zu verstehen) verweigert, entzieht sich der Mann jeglicher Verantwortlichkeit für sein Tun und hat vielleicht schon das nächste Objekt seiner triebhaft-tierischen Begierde im Visier. Mit diesem Motiv bedient die Gruppe “G.” uralte patriarchalische Klischees (vgl. Schulze-Büchsenschütz 1996). Und das ist eine Sauerei (vgl. Roth-Vogt 2001; Hollebrink-Kohlacker 1990; Schmalhans-Küchenmeister 1995)!!
Die künstlerische Freiheit im Rock-/Pop-Bereich ist zweifellos ein hohes Gut, aber ein Lied, in dem Frauen gar tranchiert und flambiert werden, ist ein geradezu pornografischer Anachronismus und gehört auf den Index!
(Prof'in Dr. Ingeborg Kolbe-Lodenprügel, Institut für genderspezifische Völkerkunde, Universität Olpe)
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Mit dem Lied “Holger (Junge Liebe)” hat die Gruppe Gliedkuchen eine heitere Milieustudie vorgelegt, welche auf eine witzige Art und Weise das Wesen der “jungen Liebe” beleuchtet. Frauenfeindliche Tendenzen kann ich hierin nicht entdecken.
Die Handlung ist getragen von einer locker-gelösten Stimmung: Da sind zwei junge Menschen, die sich — einfach so — aufeinander einlassen, die vielleicht zum ersten Mal die besorgten Mahnungen der Mutter überhören und sich “unten bei der Hecke” treffen, um ein paar Küsse und noch etwas mehr auszutauschen — ganz unverbindlich und voll jugendlich-frischen Leichtsinns. Diese leichte, heitere, und doch darum nicht weniger mutige Unverbindlichkeit des Seins wird besonders deutlich in den Worten: “Heut' nacht mach' ich dich zur Mutter, aber nicht zum Eheweib”, um nur ein Beispiel zu nennen. Die bedingungslose Hingabe der jugendlichen Liebhaber ist hier zu spüren, die wirklich alle Folgen, selbst die Mutterwerdung von Holgers Gespielin, hinzunehmen bereit ist, nur um des Glückes des Augenblickes Willen. Und doch bleibt die Unverbindlichkeit, die Freiheit als das höchste Gut der Jugend, in jedem Moment erhalten: Selbst dann, wenn er sie zur Mutter macht, wird er sie nicht unter das Joch der Ehe zwingen! Hier erweist sich Holger also keinesfalls als Feind der Frauen (ein zuweilen publiziertes Mißverständnis, vgl. z. B. Kolbe-Lodenprügel 2003), sondern vielmehr als ein echter Gentleman, der seiner jugendlichen Geliebten ihre Freiheit nicht nimmt, obwohl er es könnte. Damit vertritt er Werte, die in der heutigen Zeit selten geworden, aber nichtsdestoweniger überaus modern sind (vgl. Strock 1869; Huber 1904)!
In “Holger (Junge Liebe)” wird die Frau ausdrücklich akzeptiert und auch mal vom Mann massiert; insgesamt bleibt somit der Eindruck, daß das hier vertretene Frauenbild zeitgemäßer ist, als es so mancher konservativen Emanze lieb wäre.
(Prof. Dr. Dr. h. c. Günther-Jürgen von Pflock, Lehrstuhl für analytische Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der philosophischen Analyse, Universität Unterhaching)
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Nach ausführlicher inhaltsanalytischer Auswertung der einschlägigen Fachliteratur muß man zu dem Schluß kommen, daß sich die Frage nach der Frauenfeindlichkeit in Gliedkuchens “Holger (Junge Liebe)” nicht pauschal beantworten läßt (vgl. Platzsche-Gockel 1984).
Bei genauerem Hinsehen kristallisiert sich zudem die Erkenntnis heraus, daß diese Frage überhaupt nicht entscheidend ist (vgl. Platzsche-Gockel 1985). Das Lied “Holger (Junge Liebe)” beschäftigt sich mit dem Prozeß der — nicht nur sexuellen — Selbstfindung eines pubertierenden Jugendlichen im dynamischen Spannungsfeld zwischen Geliebter, (Herkunfts-) Familie und Gesellschaft. Selbstverständlich spielt dabei im Wechselspiel zwischen der Sehnsucht nach Anlehnung und der Suche nach eigener Identität auch die Einstellung zum anderen Geschlecht eine wesentliche Rolle (vgl. dazu Platzsche-Gockel 1986). Die aus den multiplen Spannungsfeldern sich darin ergebende Ambivalenz ist, um nur ein Beispiel zu nennen, in den Zeilen “Heut' nacht mach' ich dich zur Mutter, aber nicht zum Eheweib” besonders eindrücklich verankert: Einerseits ist da der neu erwachende Wunsch, eine eigene Familie zu gründen; auf der anderen Seite fehlt noch der Wille, sich endgültig an die Partnerin zu binden. Spätestens an dieser Stelle dürfte deutlich geworden sein, daß die Frage, ob frauenfeindlich oder nicht, hier zu kurz greift: Der Protagonist befindet sich mitten in einem ergebnisoffenen ontogenetischen Entwicklungsprozeß, während dessen, beeinflußt durch endogene und exogene Erlebnisse und Erfahrungen, die endgültige Einstellung gegenüber dem anderen Geschlecht erst angebahnt wird (siehe auch Platzsche-Gockel 1987; 1988). Frauenfeindlichkeit ist somit niemals a priori Bestandteil einer Persönlichkeit, sondern immer das Ergebnis spezifischer Sozialisationsprozesse (Platzsche-Gockel 1989).
Ist also “Holger (Junge Liebe)” frauenfeindlich? — Es liegt bei uns allen, dies zu verhindern!
(Dr. paed. Jens-Ole Platzsche-Gockel, Seminar für pädagogische Pädagogik, Schwerpunkt Allgemeine Pädagogik, Katholische Hochschule Köln-Mülheim)
[Owald]
Hörprobe? →gliedkuchen.myownmusic.de
Holger (Junge Liebe)(Text+Musik: Gliedkuchen) Mir wird so ganz anders Und dann hör' ich Mutter rufen: Deine Haare sind ein Urwald Und die Sache kommt ins Rollen Junge Liebe, junge Liebe Pack den Picknickkorb mit Knäcke Und das Knäckebrot mit Butter Junge Liebe, junge Liebe Und Gerd sprach: “Ich anvisier' sie, tolerier' sie, Junge Liebe, junge Liebe |