Dr. Jan Voss

  • 2007 Diplom in Mathematik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit der Diplomarbeit "On (L_3(2),L_3(2))- and (L_3(2),Sp_4(2))-Amalgams" bei Prof. Dr. B. Stellmacher
  • 2012 Promotion an der Universität zu Köln mit einer Arbeit der kooperativen Spieltheorie mit dem Titel "A System-theoretic Approach to Multi-Agent Models" bei Prof. Dr. U. Faigle
  • 2012 Business Intelligence Manager bei dem Online-Marketing StartUp "travel audience" in Köln, eine Tochterfirma des Amadeus IT Konzerns
  • 2013 Leitung des Business Intelligence Teams von "travel audience"
  • 2014 Umzug der Firma nach Berlin, und Leitung des gesamten technologischen Bereichs des Unternehmens mit der Verantwortung für 35 Mitarbeiter
  • seit Mitte 2016 privater Immobilieninvestor

Die Entscheidung nach meiner Promotion zu einem StartUp zu gehen, habe ich damals getroffen, weil ich Neues tun wollte. Ich wollte mich mit Themen und Problemen beschäftigen, die nicht hundertfach in anderen Firmen bereits aufgetaucht waren. ich wollte kein kleines Rad im Getriebe einer großen Firma sein, in welcher es nicht weiter auffällt, ob ich da bin, oder nicht. Ich wollte einen Unterschied ausmachen. Also bewarb ich mich als Business Intelligence Manager bei einem kleinen Online-Marketing StartUp, ohne wirklich viel über Online Marketing zu wissen und ohne wirklich eine Idee davon zu haben, was Business Intelligence denn wirklich sein mag. Ich konnte das Unternehmen überzeugen, dass - obwohl ich viele der gewünschten Voraussetzungen nicht mitbrachte - ich schnell lerne und mir alles Nötige in kurzer Zeit aneignen werde. Und so wurde ich eingestellt. Zu dieser Zeit bestand die Firma aus 4 Personen, die sich einen großen Raum in einer ansonsten unmöblierten Bürowohnung in der Kölner Innenstadt teilten.

Im Online Marketing laufen sehr (!) viele Daten auf. Grob gesprochen geht es im Online Marketing darum, einem Nutzer die richtige Werbung zur richtigen Zeit im richtigen Kontext anzuzeigen, damit er zum einen Werbung sieht, die ihn auch interessiert und bestenfalls zu einem Kauf bewegt, zum anderen die Werbeausgaben der Werbekunden nicht an Nutzer verschwendet werden, welche kein Interesse haben oder sich ggf. sogar beläsigt fühlen und beginnen negative Gefühle mit einer Marke zu verbinden. Vereinfacht kann man sich das Problem so vorstellen: Ein Nutzer besucht eine Webseite. Sie müssen einen Werbeplatz auf dieser Seite füllen. Sie haben je einige tausend verschiedene Angebote von 100 verscheidenen Firmen, welche Sie potentiell dort platzieren können. Welches der Angebote sollen Sie diesem Nutzer nun anzeigen? Stellen Sie sich vor, Sie haben mehr als einen Werbeplatz auf der Seite. Welche Kombination ist nun "richtig" für den Nutzer? Macht die Reihenfolge in welcher Sie die Angebote anzeigen einen Unterschied? Ist es besser, wenn der Text rot oder blau ist? Gibt es vielleicht Nutzer für die rot besser funktioniert und andere für die blau besser funktioniert? Abschließend stellen Sie sich nun vor, dass Sie all diese Fragen nicht nur für einen Nutzer beantworten müssen, sondern für Millionen von Nutzern am Tag und für eine Antwort weniger als 100ms Zeit haben. Ich denke man sieht, dass die Problemstellung alles andere als trivial ist.

Um die Frage danach beantworten zu können, was denn "richtig" für einen Nutzer bedeutet, benötigt man Daten. Als Business Intelligence Manager war es Hauptteil meiner Aufgabe Antworten darauf zu finden, was denn "richtig" ist, einen Sinn im Meer von Daten zu finden, Algorithmen zu entwickeln, die die Budgets unserer Werbekunden möglichst effizient nutzen und beim Nutzer möglichst in einem Kauf münden.

Im Rückblick ist das wertvollste, was ich während meines Studiums und meiner Promotion gelernt habe, selbstständig zu arbeiten, mir komplexe Sachverhalte eigenständig verständlich zu machen und die gewonnen Erkenntnisse auch kommunizieren zu können. Als Student habe ich die Wichtigkeit dieser Softskills mit einer gewissen Arroganz völlig unterbewertet. Im obigen Beispiel gesprochen: Stellen Sie sich vor, ich habe eine gute Antwort auf die Fragen gefunden. Der Nutzen für die Firma ist nur sehr beschränkt, wenn ich nicht in der Lage bin, einem Laien zu erklären, was ich da getan habe. Denn dann wird die Verkaufsabteilung nicht verstehen, was meine Firma tut. Versteht der Verkauf das nicht, kann dieser es dem Kunden und auch potentiellen neuen Kunden nicht erklären. Am Ende hat man ein gutes Produkt, das niemand kauft, weil niemand dem Kunden erklärt, warum es gut ist und warum er sein Geld dafür ausgeben sollte.

Fängt man in einer kleinen Firma an, so kann man persönlich mit der Firma mit wachsen. Das tat ich und so bekam ich relativ schnell Personalverantwortung und sah mich vor einer neuen Herausforderung: Ich musste Menschen führen & leiten, ohne dass mir irgendjemand sagte, wie das denn funktioniert. Je größer meine Abteilung wurde, um so mehr entfernte ich mich von der tatsächlichen Arbeit mit Daten, Datenbanken und Programmierung und um so mehr wurde ich ein "Manager". Mir wurde sowohl von meinem Geschäftsführer, als auch von meinen Mitarbeitern viel Raum gegeben, um Fehler zu machen und aus diesen zu lernen, was es für mich zu einer sehr attraktiven Aufgabe machte. Viele Aufgaben als Manager waren für mich ein langer Lernprozess: Wie erfahre ich in Bewerbungsgesprächen, ob das der richtige Kandidat für die Stelle ist? Wie organisiere und plane ich mein Budget für das nächste Jahr? Wie strukturiere ich die Abteilung? Was habe ich falsch gemacht, dass dieser Mitarbeiter das Unternehmen verlassen hat? Wie gestalte ich Gehaltsverhandlungen? All dies und noch viel mehr waren Fragen, die ich mir noch nie stellen musste und da ich nun mit Menschen und nicht mit Daten umging, war eine ziemlich große Unsicherheitskomponente inkludiert.

Ich war in der Situation, dass ich ausschliesslich Leute leitete, die von Ihrem Aufgabengebiet viel mehr verstanden, als ich es tat. Dennoch musste ich Entscheidungen treffen und diesen Menschen eine Richtung vorgeben. Mehr denn je war dabei hilfreich, dass ich im Studium gelernt habe, mich schnell in komplexe Themen einzudenken und die essentiellen Punkte eines Themas zu erfassen.

Nach vier Jahren habe ich mich aus der Firma zurückgezogen und betätige mich nun als privater Immobilieninvestor und bastele an einer Idee für eine Firmengründung in der Immobilienbranche. Spannend für mich, denn ich lerne wieder viele neue Sachen.

Wer in einem StartUp arbeitet, der sollte nicht "nur einen Job" wollen. Bedingt durch die geringe Größe des Unternehmens und die dafür umso größeren Ziele, befindet man sich oft konstant in Alarmbereitschaft. Überstunden sind die Regel und keine Ausnahme und man wird regelmässige Arbeitszeiten von 50, 60, 70 oder mehr Stunden pro Woche nur dann ohne einen Burnout überstehen, wenn man liebt, was man tut, wenn man an die Idee und die Mission des Unternehmens glaubt und wenn man trotz all des Stresses viel Freude bei der Arbeit empfindet. Im Gegenzug erhält man viele Freiheiten für die eigenen Ideen, man stößt konstant auf Schwierigkeiten für die niemand verantwortlich ist und man hat die Frieheit diese Probleme einfach selbst anzugehen, man lernt viel und schnell, man selbst kann einen Unterschied machen und jede der eigenen Handlungen hat einen direkten Einfluss auf den Erfolg des Unternehmens und ein beruflicher Aufstieg ist deutlich schneller möglich, als in jeder großen Firma. All das muss man wollen und dann ist ein StartUp auf jeden Fall ein sehr guter Ort für den beruflichen Einstieg.

"Data Scientists"/"Business Intelligence"/"Data Analysts" - schlicht alle Berufsfelder im groben Umfeld von "aus Daten Sinn generieren" wurde unlängst vom Forbes Magazine zum Job der Zukunft gekürt. Berechtigterweise, wie ich meine. Ich kann nur jedem Studenten empfehlen, sich in seiner Freizeit einmal mit den Themen "Big Data" & "Data Science" zu beschäftigen. Auch wenn diese Begriffe als Buzzwords in fast jeder Verkaufspräsentation vorkommen, lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Im Kern sind es sinnvolle Themen: Wie verstehen wir große Datenmengen in Zukunft besser und was können wir mit diesem Verständnis anstellen. Als Anlaufstelle für spannende Aufgabenstellungen in diesen Bereichen empfehle ich die Wettbewerbe auf www.kaggle.com/competitions.