Vom 19. bis zum 22. September
Vortrag | Podiumsdiskussion | Filmvorführung |
Während der DMV-Tagung wird es zwei Veranstaltungen geben, die sich an die breite interessierte Öffentlichkeit wenden und frei zugänglich sind: der Vortrag von Marcus du Sautoy am Montag und die Podiumsdiskussion mit Christoph Drösser, Martin Grötschel und Matthias Kreck am Dienstag.
Marcus du Sautoy, Oxford
Artists are constantly on the hunt for interesting new structures to frame their creative process. From composers to painters, writers to choreographers, the mathematician's palette of shapes, patterns and numbers has proved a powerful inspiration. Often subconsciously artists are drawn to the same structures that fascinate mathematicians. Through the work of artists like Borges and Dali, Messiaen and Laban, I shall explore the hidden mathematical ideas that underpin their creative output but I will also reveal that the work of the mathematician is sometimes no less driven by strong aesthetic values.
Marcus du Sautoy ist der Simonyi Professor for the Public
Understanding of Science und Professor für Mathematik an der Universität Oxford. Auf dem
Simonyi-Lehrstuhl war er der Nachfolger des Evolutionsbiologen Richard Dawkins.
Du Sautoy ist der Autor der populär-mathematischen Bücher Finding Moonshine und The Music of the Primes. Er hat mehrere Filme über Mathematik für die BBC produziert und schreibt regelmäßig für Zeitungen wie den Guardian, den Daily Telegraph und die Times.
Er ist ein vielgefragter Redner und erreicht mit seinen öffentlichen
Vorträgen ein großes Publikum, dem er auf spielerische Weise die
Faszination der Mathematik vermittelt. Im Jahre 2006 war er der Royal
Institution Christmas Lecturer.
Bei dieser Frage hilft das Wort Mathematik zunächst nicht weiter; es ist altgriechisch und bedeutet in etwa die „Kunst des Lernens“. Zu den verschiedensten Aspekten der Mathematik gibt es Kommentare von Philosophen, Literaten, Physikern und Mathematikern. So ist etwa Georg Christoph Lichtenberg einerseits begeistert von der Mathematik, andererseits aber offensichtlich irritiert über seine Kollegen in Göttingen:
Was ist eigentlich Mathematik?
Die Mathematik ist eine gar herrliche Wissenschaft, aber die Mathematiker taugen oft den Henker nicht.
Anscheinend ist er nicht das einzige Opfer von Kommunikationsproblemen, wenn man Johann Wolfgang von Goethe glaubt:
Die Mathematiker sind eine Art Franzosen: redet man zu ihnen, so übersetzen sie es in ihre Sprache, und dann ist es alsobald ganz etwas anderes.
Bei der Frage, ob die Mathematik eher eine naturwissenschaftliche oder eine philosophische Disziplin sei, ist man geteilter Ansicht. So behauptet Karl Weierstraß:
Ein Mathematiker, der nicht irgendwie ein Dichter ist, wird nie ein vollkommener Mathematiker sein;
wohingegen Schopenhauer ausführt:
Daß die niedrigste aller Geistestätigkeit die arithmetische sei, wird dadurch belegt, daß sie die einzige ist, welche auch durch eine Maschine ausgeführt werden kann.
Hier verwechselte Schopenhauer offensichtlich etwas, und es ist deutlich, dass er eben nicht wusste, was Mathematik eigentlich ist. Auch das Spannungsverhältnis zwischen Spaßfaktor und Nützlichkeitsüberlegung findet Eingang in die Diskussionen; so meint Richard Feynman:
Mathematik ist wie Sex. Sicher gibt es ein paar nützliche Resultate, aber das ist nicht der Grund, warum wir es tun;
und ergänzend zur Frage der Nützlichkeit sei ein Kommentar von Albert Einstein erwähnt:
Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit.
Der Aspekt Mathematik und Glauben wird schon von Augustinus von Hippo angesprochen:
Der gute Christ soll sich hüten vor den Mathematikern .... Es besteht nämlich die Gefahr, daß die Mathematiker mit dem Teufel im Bunde den Geist trüben und in die Bande der Hölle verstricken.
Aber was eigentlich Mathematik ist, das findet man nicht erklärt. Über diese offene Frage und die verschiedensten Aspekte der Mathematik, unter anderem die oben angesprochenen, diskutieren und streiten sich
Martin Grötschel und Matthias Kreck unter der Moderation von Christoph Drösser.
Martin Grötschel ist seit 2007 Generalsekretär der Internationalen Mathematischen Union, Matthias Kreck ist seit 2007 Direktor des Hausdorff Research Institute for Mathematics an der Universität Bonn. Der Moderator der Diskussionsrunde, der Wissenschaftsjournalist Christoph Drösser, ist vielen bekannt durch seine „Verführerbücher“ und, unter anderem, seine Kolumne „Stimmt’s?“ in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Er erhielt im Jahr der Mathematik (2008) den Medienpreis der Deutschen Mathematiker-Vereinigung für seine herausragenden Leistungen zur Popularisierung der Mathematik.
Videofilm, 55 Minuten, 2011
Produktion und Realisation: Agnes Handwerk und Harrie Willems
Yuri Manin gehört zu dem Kreis bedeutender Mathematiker, die in den 1960er Jahren von Moskau aus die Algebraische Geometrie voran gebracht haben. Die Bedingungen waren schwierig, denn der internationale wissenschaftliche Austausch mit dem Westen war aus ideologischen Gründen begrenzt. Von dem Antisemitismus in der Sowjetära war Yuri Manin direkt betroffen.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nahm Yuri Manin den Ruf ins Direktorium des Max- Planck-Instituts für Mathematik in Bonn an und lebt zwischen häufigen Auslandsaufenthalten mit seiner Frau Xenia Semenova heute dort.
An der Staatlichen Universität in Moskau beginnt Yuri Manin 1953 sein Studium der Mathematik. In jenem Jahr stirbt Stalin und die Sowjetunion öffnet sich vorsichtig dem Westen, eine Zeit des „Tauwetters“ beginnt. Yuri Manin ist 16 Jahre alt und erlebt die „Goldenen Jahre der Moskauer Mathematik“, die intensive Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern. Er wird wissenschaftler Mitarbeiter am Steklov-Institut promoviert bei Igor Shafarevitsch und ist mit 28 Jahren Professor für Algebra an der Staatlichen Universität.
In der kurzen Phase des politischen Aufbruchs zwischen Ost und West erhält er 1967 die einmalige Gelegenheit eines Studienaufenhaltes am Institut des Hautes Etudes in Bures bei Paris und arbeitet dort mit Alexander Grothendieck zusammen. Wegen seiner unabhängigen Haltung werden Yuri Manin von den Sowjet-Behörden Beschränkungen auferlegt. Er kann nicht mehr in den Westen reisen, dennoch hält er den Austausch mit Mathematikern wie Jean- Pierre Serre und Pierre Deligne aufrecht. Seine Energie setzt er in die Ausbildung seiner Schüler, die später zu bedeutenden Mathematikern werden.
Yuri Manin hat sein Leben und seine Kraft der Mathematik verschrieben. Aus politischen Auseinandersetzungen hält er sich heraus und verlässt sich auf die Integrität seiner Person.
Ein Beweggrund an dem Videofilm mitzuarbeiten war für ihn, dass er beginnt auf sein Leben und seine Herkunft zurückzublicken.Yuri Manin ist 1937 in Simferopol geboren. Die Hauptstadt der Krim gehörte damals zur Sowjetunion, nun zur Ukraine. Sein Vater ist im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen. Seine Mutter wurde unter Stalin als Jüdin zur Kosmopolitin erklärt und verfemt. Yuri Manin versteht sich heute ganz bewusst als Kosmopolit und als freier Mensch mit einer Berufung: der Mathematik.